Freitag, 2. April 2010
Wir Wunderkinder (1958)
Ehrlichkeit zahlt sich aus, heißt es, aber für Hans Boeckel (Hansjörg Felmy) scheint das nicht zu gelten: Obwohl er stets brav und fleißig ist, hat sein verschlagener, selbstsüchtiger Klassenkamerad Bruno Tiches (Robert Graf) stets die besseren Karten. Später, während des Dritten Reichs, verliert Hans mangels brauner Gesinnung seinen Job als Feuilletonredakteur während Bruno auf die Moral pfeift und es sich als hohes Tier in der Partei gut gehen lässt. Auch nach dem Krieg schafft es Bruno mal wieder, das Schicksal zu seinen Gunsten zu lenken. Die Besatzer halten ihn für unentbehrlich und schnell steigt er zum angesehenen Geschäftsmann auf. Doch dann macht sich Hans daran, einen Artikel über Brunos braune Vergangenheit zu schreiben ...



"Wir Wunderkinder" von Kurt Hoffmann ("Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull") ist eine groteske (Nach-)Kriegssatire, die selbst für heutige Verhältnisse äusserst bissig mit einem deutschen Spiessbürgertum der Vergangenheit umgeht, dass in den zweiten Weltkrieg und direkt wieder ins Biedermann-Tum führt. Die Roman-Verfilmung leistet sich - vor allem in dem begleitenden Off-Kommentar - manch doppeldeutige Spitze gegen die Obrigkeitshörigkeit, den Opportunismus und die Wendehals-Mentalität über die Kriegstage hinaus, die man den 50ern in solcher Boshaftigkeit nicht zutrauen würde. Vor allem das Duo Wolfgang Neuss und Wolfgang Müller, die diesen Film-im-Film kabarettistisch begleiten, sorgen immer wieder für tiefsinnig-ironische Einlagen. Zudem bietet die ungewöhnliche Darsteller-Riege (Elisabeth Flickenschildt, Johanna von Koczian, Pinkas Braun, Ingrid van Bergen u.a.) ein tiefsinniges Schauspiel, das abgerundet wird mit einer bitterbösen Fahrstuhl-Pointe am Schluss. Es gibt nicht viele Filme der 50er, die man unbedingt sehen muss, "Wir Wunderkinder" gehört aber auf jeden Fall dazu.
Bewertung: 9/10


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