Freitag, 30. Juli 2010
Christopher Nolans 'Inception'


Der weltweit operierende Meisterdieb Dom Cobb (Leonardo DiCaprio) betreibt auf eine ganze spezielle Art Industriespionage: Er stiehlt Informationen aus Träumen. Extraktion heißt das. Dazu müssen aber erst einmal physische Voraussetzungen geschaffen werden. Sowohl das Opfer als auch das Team, das es bestehlen wird, werden betäubt und ihre Gehirne verbunden. Gemeinsam träumen sie einen Traum, dessen Architektur die Diebe erschaffen. Das ahnungslose Opfer füllt dieses Grundgerüst mit Details aus seinem Unterbewusstsein, inklusive aller Geheimnisse.

Cobb hat jedoch ein Problem. Er wird von einer persönlichen Schuld geplagt, die mit dem Tod seiner Frau Mal (Marion Cotillard) zusammenhängt. Sein eigenes Unterbewusstsein torpediert seine Arbeit als Traumarchitekt, denn Mal funkt ihm bei jedem Coup dazwischen. Cobb ist am Ende. Er will aussteigen und zu seinen Kindern zurückkehren. Für den mächtigen Unternehmer Saito (Ken Watanabe) soll er einen letzten Job erledigen, aber der hat es in sich: Cobb soll diesmal kein Geheimnis entreißen, sondern eine Idee einpflanzen, also eine "Inception" vornehmen.

Saito will seinen Konkurrenten Fischer (Cillian Murphy) loswerden. Der soll das Firmenimperium seines soeben gestorbenen Vaters zerschlagen, und Cobb soll ihm diese Idee so einpflanzen, dass Fischer glaubt, er sei von ganz allein drauf gekommen. Ein irrwitziger Coup, den nur ein Expertenteam stemmen kann. Dazu gehören die Traumarchitektin Ariadne (Ellen Page), auch Cobbs roter Faden aus dem Labyrinth seiner eigenen Abgründe, der kühle Stratege Arthur (Joseph Gordon-Levitt), der Fälscher Eames (Tom Hardy), der in der Traumwelt jede beliebige Person projizieren kann, und der Betäubungsexperte Yusuf (Dileep Rao). Während die lahm gelegten Körper der Bande und ihres Opfers im Flugzeug gen Los Angeles unterwegs sind, reisen sie durch mehrere bizarre Traumwelten ...




"Während des Traums halten wir ihn für real. Erst wenn wir aufwachen, merken wir, daß er recht seltsam war"

Man muss sich schon auf einen versponnenen Film wie "Inception" emotional einlassen können, um ihn wirklich zu begreifen, denn er entführt in eine surreale Welt, die mit dem Verstand nur schwer zu fassen ist. Ein Versprechen ist dabei schon allein die erlesene Besetzung mit Joseph Gordon-Levitt ("500 Days of Summer"), Ellen Page ("Juno"), Tom Hardy ("Star Trek: Nemesis"), Ken Watanabe ("Letters from Iwo Jima"), Tom Berenger ("Platoon"), Marion Cotillard ("La vie en rose") sowie Michael Caine ("The Dark Knight") als Co-Stars zu der Schauspieler-Grösse Leonardo Di Caprio ("Zeiten des Aufruhrs"). In fast alleiniger Verantwortung für das irrationale Fantasy Spektakel steht dabei der Regisseur, Autor und Produzent Christopher Nolan, der bereits mit "Memento" bewiesen hat, dass er einen komplexen Stoff spannend und in sich schlüssig erzählen kann, und neben "The Dark Knight" auch mit "The Prestige" einen vielschichtigen Budenzauber ablieferte, der sein Publikum begeistet.

Hier geht der Visionär jedoch noch weiter, denn ihm gelingt es unter dem Deckmantel eines actionlastigen Heist-Films eine äusserst real erscheinende Traumwelt aufzubauen, in der er seine Geschichte auf bis zu fünf Ebenen erzählt. Manch ein Regisseur würde schon an mehreren linearen Erzählebenen scheitern, Nolan erweitert das Kunstück noch um die ständig präsente Komponente des Surrealen. Dabei erschafft er Szenen und abstrakte Bilder, die man auf dieser Weise noch nie auf der Leinwand gesehen hat. Und trotzdem verkommt kein noch so atemberaubender Effekt zum Selbstzweck, sondern alles ordnet sich einer fantastischen Geschichte unter, die sich am ehesten mit "Matrix" hoch Fünf (Erzählschichten) umschreiben lässt. Und das Publikum sitzt gebannt da und folgt dem Absurden wie die Kinder dem Rattenfänger, selbst wenn die verschachtelte Handlung zwischenzeitig schon mal in herkömmliche Action-Momente abdriftet. Für mich steht ausser Frage, dass der Streifen das Potential zum Kultstatus hat, einfach weil er seinen Zuschauer noch weit über den Abspann hinaus beschäftigen wird. Zumal viele bei aller Faszination für das Erlebte den Film noch einmal sehen werden wollen, allein schon um ihn in seiner Kompexität auch wirklich erfassen zu können. Wenn er dabei die verstandsmässige Nachbearbeitung auch nur einigermassen glaubhaft übersteht, dann wird man bei "Inception" von Nolans Meisterwerk sprechen.
Bewertung: 9,5/10 (Moviepilot Prognose 9)

Ein ausführliche Besprechung zum Film gibt es auf www.faz.net

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