Dienstag, 29. Juni 2010
Achtelfinale 7
Variationen des Nichts
Variationen des Nichts
crizcgn, 20:31h
Paraguay - Japan 5:3 n.E.
Nach 120 Minuten ohne Höhepunkte gewinnt Paraguay das Elfmeterschießen gegen Japan mit 5:3 und muss im Viertelfinale entweder gegen Spanien oder Portugal antreten.
Noch einmal brandete Jubel auf im Stadion, als die Partie nach 120 langen Minuten beinahe vorüber war. War es Jubel der Erleichterung, weil das zähe, torlose Ringen nun bald ein Ende haben würde? Oder war es Jubel der Vorfreude aufs anstehende Elfmeterschießen? Das schöne an K.o.-Spielen ist ja bekanntlich, dass selbst die ödesten Darbietungen in ein dramatisches Finale münden, in die brutalste Form der Entscheidungsfindung, die es im Fußball gibt.
Mühten sich die Gegner eben noch in der Gruppe, elf gegen elf, kommt es plötzlich auf den einzelnen an; ganz am Ende ist es ein Mann, ein Schuss, und dann ist alles vorüber. Am Dienstag, beim Achtelfinale Japans gegen Paraguay, war es Oscar Cardozo, der den letzten Schuss sicher ins Netz setzte, 5:3 (0:0) nach Elfmeterschießen hieß es damit, was bedeutet, dass Paraguay ins WM-Viertelfinale gegen Uruguay einzieht. Dem Elfmeterschießen vorangegangen war ein Spiel der bemühten Langeweile.
In der WM-Vorrunden gibt es solch fade Spiele immer wieder einmal (man erinnere sich von diesem Turnier kurz und dann nie wieder an Schweiz - Honduras), aber in Achtelfinals sind sie eher selten. Das Aufeinandertreffen von Japan und Paraguay wirkte in der ersten Halbzeit wie Performance-Kunst: 22 Spieler und drei Schiedsrichter wirken in der Installation "Variationen des Nichts". Wobei das dem Schiedsrichter und seinen Assistenten gegenüber etwas unfair ist, denn das Gespann pfiff und winkte eifrig und mit gebotenem Ernst. Die Spieler führten die Partie jedoch, je nach Auslegung, eher taktisch oder eher gar nicht.
Bei solchen Gelegenheiten wird gern Franz Beckenbauer mit dem Bonmot zitiert, es gehe zu wie bei Untergiesing gegen Obergiesing, aber so aufregend war's dann auch wieder nicht. Es ging ganz einfach zu wie bei Japan gegen Paraguay, zwei nicht übermenschlich gut besetzten Teams, die als Kollektive funktionierten und ihre Stärken lange neutralisierten.
Als sich Mitte der ersten Halbzeit die pessimistischen Zuschauer bereits seelisch auf das Elfmeterschießen vorbereiteten, jagte plötzlich Daisuke Matsui den Ball aus 25 Metern an die Latte (21. Minute); das Torgestänge, so schien es, wackelte minutenlang, ein Wunder, dass es unter der Wucht des Schusses nicht zerborsten war. Das schmatzende Klatschen (oder war es eher ein klatschendes Schmatzen?) des Balles an der Latte mag manche Zuschauer wachgeküsst haben. Den aufmerksamen Beobachtern war es das Versprechen auf ein besseres Spiel.
Keine Tore, kaum Chancen
Das mochte sich allerdings nicht sofort entwickeln. Es dauerte bis zur 39. Minute bis wieder etwas geschah, das mit dem Begriff "Geschehen" angemessen beschrieben werden kann, und wieder waren es die Japaner, die aktiv wurden. Das war insofern überraschend, als die Paraguayer deutlich öfter und länger am Ball waren, seltsam unterschätzter Fachbegriff: hoher Ballbesitzanteil.
Nun also eroberte der Wolfsburger Japaner Makoto Hasebe nach einer Phase des sehr hohen Nichts-passiert-Anteils den Ball im Mittelfeld, er passte zu Matsui, der munter die rechte Außenlinie entlang rannte, warum nicht immer so? Es wurde regelrecht dramatisch, Matui passte den Ball in die Mitte, wo Keisuke Honda leichten Fußes unterwegs war, ein blauer Blitz auf grünem Grund, Honda schaute, Honda schoss, aus 18 Metern flog der Ball neben das Tor. Die Zuschauer imLoftus-Versfeld-Stadion zu Pretoria mussten nach diesem plötzlichen Angriff auf ihr Nervenkostüm erst einmal kräftig durchschnaufen.
Auch die zweite Halbzeit wurde ordnunmgsgemäß ausgespielt, und schon ging's in die Verlängerung. Gut, der Ordnung halber sei erwähnt, dass nach einer Stunde Nelson Valdez von Borussia Dortmund für Paraguay in die Partie gekommen war. Und ja, in der zweiten Halbzeit ging es etwas flotter zu, aber warum soll eine Variation des Nichts nicht auch mal an Tempo zulegen?
Verlängerung also, im Stadion wurde es richtig laut, was vielleicht auch in der Vorfreude begründet war: nur noch eine halbe Stunde. Nachdem die erste Halbzeit der Verlängerung wenig überraschend wenig Überraschungen bot (Valdez hatte in der 97. Minute eine Chance), strebte das Spiel gelassen seinem Ende entgegen. Keine Tore, kaum Chancen, und so kurz vor Schluss wollte niemand die Zuschauer ums Vergnügen des Elfmeterschießens bringen.
Quelle: sueddeutsche.de
Nach 120 Minuten ohne Höhepunkte gewinnt Paraguay das Elfmeterschießen gegen Japan mit 5:3 und muss im Viertelfinale entweder gegen Spanien oder Portugal antreten.
Noch einmal brandete Jubel auf im Stadion, als die Partie nach 120 langen Minuten beinahe vorüber war. War es Jubel der Erleichterung, weil das zähe, torlose Ringen nun bald ein Ende haben würde? Oder war es Jubel der Vorfreude aufs anstehende Elfmeterschießen? Das schöne an K.o.-Spielen ist ja bekanntlich, dass selbst die ödesten Darbietungen in ein dramatisches Finale münden, in die brutalste Form der Entscheidungsfindung, die es im Fußball gibt.
Mühten sich die Gegner eben noch in der Gruppe, elf gegen elf, kommt es plötzlich auf den einzelnen an; ganz am Ende ist es ein Mann, ein Schuss, und dann ist alles vorüber. Am Dienstag, beim Achtelfinale Japans gegen Paraguay, war es Oscar Cardozo, der den letzten Schuss sicher ins Netz setzte, 5:3 (0:0) nach Elfmeterschießen hieß es damit, was bedeutet, dass Paraguay ins WM-Viertelfinale gegen Uruguay einzieht. Dem Elfmeterschießen vorangegangen war ein Spiel der bemühten Langeweile.
In der WM-Vorrunden gibt es solch fade Spiele immer wieder einmal (man erinnere sich von diesem Turnier kurz und dann nie wieder an Schweiz - Honduras), aber in Achtelfinals sind sie eher selten. Das Aufeinandertreffen von Japan und Paraguay wirkte in der ersten Halbzeit wie Performance-Kunst: 22 Spieler und drei Schiedsrichter wirken in der Installation "Variationen des Nichts". Wobei das dem Schiedsrichter und seinen Assistenten gegenüber etwas unfair ist, denn das Gespann pfiff und winkte eifrig und mit gebotenem Ernst. Die Spieler führten die Partie jedoch, je nach Auslegung, eher taktisch oder eher gar nicht.
Bei solchen Gelegenheiten wird gern Franz Beckenbauer mit dem Bonmot zitiert, es gehe zu wie bei Untergiesing gegen Obergiesing, aber so aufregend war's dann auch wieder nicht. Es ging ganz einfach zu wie bei Japan gegen Paraguay, zwei nicht übermenschlich gut besetzten Teams, die als Kollektive funktionierten und ihre Stärken lange neutralisierten.
Als sich Mitte der ersten Halbzeit die pessimistischen Zuschauer bereits seelisch auf das Elfmeterschießen vorbereiteten, jagte plötzlich Daisuke Matsui den Ball aus 25 Metern an die Latte (21. Minute); das Torgestänge, so schien es, wackelte minutenlang, ein Wunder, dass es unter der Wucht des Schusses nicht zerborsten war. Das schmatzende Klatschen (oder war es eher ein klatschendes Schmatzen?) des Balles an der Latte mag manche Zuschauer wachgeküsst haben. Den aufmerksamen Beobachtern war es das Versprechen auf ein besseres Spiel.
Keine Tore, kaum Chancen
Das mochte sich allerdings nicht sofort entwickeln. Es dauerte bis zur 39. Minute bis wieder etwas geschah, das mit dem Begriff "Geschehen" angemessen beschrieben werden kann, und wieder waren es die Japaner, die aktiv wurden. Das war insofern überraschend, als die Paraguayer deutlich öfter und länger am Ball waren, seltsam unterschätzter Fachbegriff: hoher Ballbesitzanteil.
Nun also eroberte der Wolfsburger Japaner Makoto Hasebe nach einer Phase des sehr hohen Nichts-passiert-Anteils den Ball im Mittelfeld, er passte zu Matsui, der munter die rechte Außenlinie entlang rannte, warum nicht immer so? Es wurde regelrecht dramatisch, Matui passte den Ball in die Mitte, wo Keisuke Honda leichten Fußes unterwegs war, ein blauer Blitz auf grünem Grund, Honda schaute, Honda schoss, aus 18 Metern flog der Ball neben das Tor. Die Zuschauer imLoftus-Versfeld-Stadion zu Pretoria mussten nach diesem plötzlichen Angriff auf ihr Nervenkostüm erst einmal kräftig durchschnaufen.
Auch die zweite Halbzeit wurde ordnunmgsgemäß ausgespielt, und schon ging's in die Verlängerung. Gut, der Ordnung halber sei erwähnt, dass nach einer Stunde Nelson Valdez von Borussia Dortmund für Paraguay in die Partie gekommen war. Und ja, in der zweiten Halbzeit ging es etwas flotter zu, aber warum soll eine Variation des Nichts nicht auch mal an Tempo zulegen?
Verlängerung also, im Stadion wurde es richtig laut, was vielleicht auch in der Vorfreude begründet war: nur noch eine halbe Stunde. Nachdem die erste Halbzeit der Verlängerung wenig überraschend wenig Überraschungen bot (Valdez hatte in der 97. Minute eine Chance), strebte das Spiel gelassen seinem Ende entgegen. Keine Tore, kaum Chancen, und so kurz vor Schluss wollte niemand die Zuschauer ums Vergnügen des Elfmeterschießens bringen.
Quelle: sueddeutsche.de
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